Poetry Slam – Verdichtete Sprache im Klassenzimmer erleben

Die SchülerInnen der Klasse 9b haben sich im Rahmen des Deutschunterrichts mit Poetry slam – einer populären Form des Dichterwettstreits – beschäftigt. Nach unterschiedlichen Slamerfahrungen folgte der unweigerliche Selbstversuch. Dabei sind sehr unterschiedliche, sehr kreative und sehr berührende Texte entstanden. Vier mutige Slam-Poeten präsentieren ihre Ergebnisse:

 

Unbeschwert leben und lieben
Weh tun, sich entschuldigen, einander vergeben
Sich an Momente erinnern, erzählen 
Erinnerungen teilen
Lachen ohne Grund, Menschen anstecken 
Wolkenlos träumen, Träume erfüllen

(Anonym)

 

Und wenn du immer noch blutest, bist du der Glückliche, denn die meisten 
unserer Gefühle, sie sind tot, sie sind gegangen.
Sind das die Worte der Menschen, die die Liebe auf ihrem Weg verdrängt 
haben?
Die Worte der Menschen, die ihr Leben auf Sand gebaut haben?
Die Worte der Menschen, die bei der Ebbe noch auf Sonnenzeit gehofft hatten?
Die Worte der Menschen, die auf dem Strand tanzten- unbeschwert und 
frei- bevor die Flut ihnen nahm, wovon sie erzählten, es hielte ewig?
Sie kämpften in den Fluten um ihre Existenz, ohne Plan wie.
Hektisch ohne Verstand schwimmend im ozeanblauen Wasser auf der Suche 
nach den verlorenen Erinnerungen.
Bei Ebbe liegen sie ohne ein zurückgebliebenes Stück ihres Lebens am Strand.
So irren sie auf ihrem Weg ohne Liebe, lehnen an der Hoffnung auf ein 
unbeschwertes Leben.
Leben nur dahin, die Menschen, die vergessen haben zu leben, zu vergeben 
und zu kämpfen.
Und wenn du immer noch blutest, bist du der Glückliche, denn die meisten 
unserer Gefühle, sie sind tot, sie sind gegangen.
Das sind die Worte der Menschen, die alles verloren haben.

(Lena Tesche)

 

Sie schwärmen von einem weißen Strand,
sie erzählen vom türkisen Meer und von feinem Sand.
Wolkenlos wollen sie ihren Himmel haben,
über schlechte Zeiten wollen sie niemals klagen.
Sie vergessen die Menschen, denen es nicht so gut geht,
die um ihr Dasein kämpfen, von Früh bis Spät.
Wir sollten Friede teilen und Liebe geben
und nicht ungetrübt im Luxus leben.

(Anonym)

 

Kindheitserinnerungen

Erinnerst du dich noch an damals? Ans Sandburgen bauen mit Papa und ans Plätzchen backen mit Mama? Erinnerst du dich noch an die schlaflosen Nächte in denen du dich, aus Angst vor dem Monster unter deinem Bett, zitternd unter deiner Bettdecke versteckt hast und dir dein Lieblingskuscheltier Mut gemacht hat? Und vielleicht ging es deinem Monster unter dem Bett genauso. Vielleicht säße es ja Kekse essend mit einer Tasse heißer Schokolade auf einem gemütlichen roten Sessel und würde dir die Geschichte vom „Drachen mit den veilchenblauen Augen” erzählen? Frag es doch bei Gelegenheit mal...
Erinnerst du dich an all' die schönen Dinge, die du schon erlebt hast, all' die Abenteuer, die du mit Mama Bär im Wald hinter dem Haus erlebt hast? Erinnerst du dich daran, dass du auch nach der Grundschule noch deine Barbies nicht aus der Hand legen konntest und du mit deiner besten Freundin immer noch versucht hast das perfekte Liebesgeständnis von deinem perfekten Ken zu bekommen, aber immer im falschen Moment lachen und die Ambiente zerstören musstest? Erinnerst du dich an die Morgene, an denen du extra früh aufgestanden bist, um die Sesamstraße sehen zu können, weil du das Krümelmonster heiraten wolltest, aber eigentlich viel zu alt für diese Sendung warst? Erinnerst du dich an deine erste Übernachtung und daran dass du ewig wach lagst, weil es nicht wie zuhause roch und die Geräusche von draußen dir Angst gemacht haben? Daran wie du mit all' deinen Freunden in der dritten Klasse in der Pause nach draußen in den Regen gerannt bist, um in die Pfützen zu springen und daran, als du beim Fußballturnier in der vierten Klasse ein Tor geschossen hast, dabei den Torwart getunnelt hast und deine Klasse dennoch auf dem letzten Platz gelandet ist? 
Erinnerst du dich an das erste Mal, dass du verliebt warst? An die neidischen Mörderblicke, die du jedem Mädchen zugeworfen hast, dass ihn umarmte... oder die Schminkversuche, damit du für ihn hübscher aussahst? Erinnerst du dich an deinen ersten Kuss? An das Gefühl dieser weichen Lippen an deinen und dieses unerklärliche flaue Gefühl und dieses seltsame Kribbeln im Bauch, als die Flugzeuge von deinem Herzen durch deinen Körper flogen und an die mörderischen Schmerzen, als dein Herz das erste Mal brach? Mittlerweile ist es mit wenigen, kleinen, heilenden Narben übersäht, weil es nicht bei diesem einen geblieben ist. Erinnerst du dich an die kitschigen Liebesfilme und das viele Eis gegen den Liebeskummer... die Kühle des Eises betäubte deinen Herzschmerz für eine Weile und nach und nach verblasste der Schmerz wie  ein mit Wassermalfarbe gemaltes Bild im Regen. Erinnerst du dich an den ersten Schluck Alkohol den du genommen hast? An dieses seltsame Brennen in deinem Rachen und erinnerst du dich noch an die dröhnenden Kopfschmerzen als du nach deiner ersten Houseparty aufgewacht bist? 
Menschen lieben, um den Schmerz fühlen zu können, wenn ihnen das Herz gebrochen wird- es zeigt uns, dass wir lebendig sind. Menschen streiten und vergeben. Menschen erinnern und vergessen. Unsere Erinnerungen verblassen irgendwann, denn man kann sie nicht einfangen und in ein Glas sperren. Erinnerungen sind kleine magische Wesen, die tief in unserer Seele hausen und unsere Persönlichkeit und unseren Charakter ausmachen... manchmal ist es schwer sich an etwas zu erinnern, dass vor Jahren geschehen ist. In diesen Momenten schläft eben jenes Wesen, dass für diese Erinnerung zuständig ist. Wenn eine Erinnerung verblasst, stirbt das dafür zuständige Wesen und ein neues wird geboren... Menschen ohne Erinnerungen sind wie Zombies wenn es um Gehirn geht- unkontrollierbar und gefährlich, denn ohne unsere Erinnerungen haben wir keinen Charakter. Wir müssen gut auf unsere Erinnerungen aufpassen und immer darauf achten, dass nicht zu viele Erinnerungen verblassen. Also erinnere dich an alles. An die schönen Momente, an die berauschenden, die schmerzvollen, die atemberaubenden, die lustigen, die traurigen und an die herzzerreißenden Momente. Egal ob gut oder schlecht, unsere Erinnerungen machen uns aus... 
Also pass gut auf deine Erinnerungen auf.

(A. M. Zenns)

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